Peaks›Blog›Geld›Was ist der Leitzins?
Wer momentan bei einer Bank einen Privatkredit – etwa für den Hausbau – aufnehmen möchte, macht beim Blick auf die Konditionen große Backen. Gleichzeitig sind die Preise für Energie, Lebensmittel und Dienstleistungen so hoch wie selten zuvor. Mit welchen Maßnahmen eine Zentralbank darauf reagiert und wie sich das auf deine Finanzen und Sparpläne auswirkt, erfährst du in diesem Artikel.
Da sich Zinsen und die Inflation gegenseitig beeinflussen, nutzen Zentralbanken ein wichtiges Werkzeug, um die Geldpolitik und die wirtschaftliche Aktivität ihres Landes zu steuern und ins Gleichgewicht zu bringen: Sie legen den Leitzins fest. Das sind die Zinsen, zu denen sich eine Geschäftsbank bei einer Zentralbank Geld leihen (oder dort anlegen) kann. Die Prozentzahl, die dann verkündet wird, ist nicht nur Topthema in den Finanzmedien, sondern von allgemeinem Interesse. Das liegt daran, dass sich die Höhe des Leitzinses in den Geldbörsen aller Menschen bemerkbar macht.
Was den Leitzins beeinflusst – und wie er angepasst wird
Du bist Bürger in einem staatlichen Finanzsystem und möchtest etwas kaufen oder deine Ersparnisse zur Seite legen? Vielleicht möchtest du auch einen Kredit aufnehmen, um dir ein Eigenheim zu finanzieren? In allen Fällen hat die Höhe des Leitzinses Auswirkungen darauf.
Der Leitzins wird eingesetzt, damit die Inflation auf einem angemessenen Niveau gehalten wird und Güter sowie Dienstleistungen für alle bezahlbar bleiben. Anders gesagt: Du sollst mit deinem Geld auch weiterhin so viel kaufen können wie bisher. Damit diese Preisstabilität erzeugt wird, müssen Zentralbanken die Nachfrage in ihrem Land beeinflussen. In Zeiten hoher Inflation wird der Leitzins von einer Zentralbank erhöht. Dadurch wird zwar das Wirtschaftswachstum ausgebremst, weil weniger Geld ausgegeben wird – gleichzeitig werden so aber die Preise stabiler, was dazu führt, dass die Inflation sinkt. Für eine Zentralbank ist also eine zu hohe Inflationsrate genauso ungünstig wie eine, die zu niedrig ist. Die beste Geldmarktsteuerung befindet sich immer in der Balance.
Eine Erhöhung des Leitzinses hat auch Auswirkungen auf alle Sparer und Kreditnehmer. Ist der Zinssatz hoch, wird mehr gespart und höhere Sparzinsen werden an die Anleger ausgeschüttet. Gleichzeitig steigen aber die Kreditzinsen. Diese Erhöhung geben die Geldinstitute in aller Regel an ihre Kunden weiter, was dazu führt, dass weniger Kreditaufnahmen getätigt werden (können). Auch die Liquidität des Bankensystems kann über den Leitzins gesteuert werden – was ebenfalls die Kreditvergaben beeinflusst.
Wer ist für den europäischen Leitzins zuständig?
Seit 1998 haben alle 20 europäischen Länder, in denen der Euro die offizielle Währung ist, auch eine gemeinsame Europäische Zentralbank. Die EZB ist eine Institution der Europäischen Union, sitzt in Frankfurt am Main und ist für den Geltungsbereich der Europäischen Währungsunion zuständig. Im Jahr 2014 wurde das Hauptgebäude fertiggestellt, das 201 Meter in den Himmel ragt und aus einer ehemaligen Großmarkthalle und zwei Türmen besteht. Aufgrund seiner Lage im Frankfurter Ostend ist der „Skytower“ übrigens kein Teil der berühmten Frankfurter Skyline. Als „Mutter aller Zinsen“ kann die Französin Christine Lagarde bezeichnet werden, die seit 2019 als Präsidentin die Geschicke der EZB leitet – als erste Frau überhaupt.
Die drei verschiedenen Zinssätze
Mindestens so spannend wie die Architektur ist aber, was für Verbraucher, Sparer und Anleger im Inneren der EZB geregelt wird. Insgesamt drei verschiedene Zinssätze, die sich alle in ihren Auswirkungen und Funktionen unterscheiden, legt die EZB für die Eurozone fest:
- Hauptrefinanzierungsgeschäft: Das ist der wichtigste Leitzins der EZB und dieser ist auch häufig gemeint, wenn allgemein vom Leitzins gesprochen wird. Dabei handelt es sich um den Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB eine Woche lang Geld leihen können (dies ist für sie günstiger als die Aufnahme von Übernachtliquidität).
- Spitzenrefinanzierungsfazilität: Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist jener Zinssatz, zu dem sich Banken bis zum nächsten Geschäftstag Geld bei der EZB leihen können. Für die bereitgestellte Liquidität müssen sie Sicherheiten hinterlegen, beispielsweise Wertpapiere.
- Einlagefazilität (Einlagezins): Der Zinssatz für die Einlagefazilität gibt wiederum die Höhe der Zinsen vor, die Banken erhalten (bzw. zahlen müssen, falls die Zinsen negativ sind), wenn sie bis zum nächsten Geschäftstag Geld bei der EZB hinterlegen.
Die EZB hat natürlich noch andere Aufgaben. Dazu gehören unter anderem auch die Beaufsichtigung der Banken im Euroraum oder das Bereitstellen von Infrastrukturen, mit denen Geldtransaktionen auch grenzüberschreitend möglich sind. Zentralbanken müssen nicht nur Stabilität im Bankensektor gewährleisten, sondern auch Finanzkrisen abfedern. Außerdem ist die EZB die einzige Institution, die Euro-Banknoten herausgeben darf.
Die meisten der 195 Länder der Erde haben eine eigene Zentralbank. In Europa spielen neben der EZB auch die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England eine maßgebliche Rolle. Eine der wichtigsten und mächtigsten Zentralbanken in Übersee ist die US Federal Reserve (auch Fed genannt), die für die USA zuständig ist. Im asiatischen Raum sind die Bank of Japan und die People's Bank of China für die jeweiligen Länder verantwortlich.
Wie hoch ist der Leitzins in Europa?
Seit dem 21. Juni 2023 liegt der Leitzinssatz der EZB bei 4,0 %, was einem Wert entspricht, der so hoch ist wie zuletzt in der Finanzkrise von 2008. Im Juni 2023 wurden alle drei Leitzinssätze um 0,25 % erhöht. Verantwortlich dafür ist die anhaltend hohe Inflation in der Eurozone, auf die der EZB-Rat reagiert hat. Dadurch ist die Rekord-Inflationsrate aus dem Oktober 2022 (8,8 %) im Mai 2023 immerhin auf 6,1 % gesunken.
Der aktuell hohe Leitzins ist ein Novum, denn als Folge der Finanzkrise von 2008/09 lag er rund 11 Jahre lang unverändert auf einem historisch niedrigen Niveau von 0 Prozent. Erst im Juli 2022 trat die sogenannte Zinswende ein – für damalige Verhältnisse wurde der Leitzins für viele überraschend von 0 auf 0,50 % angehoben. Danach sind insgesamt acht weitere Anhebungsschritte teilweise im monatlichen Rhythmus erfolgt. So hat der letzte Leitzins mit 3,75 % nur wenige Tage gehalten, bis er auf den momentanen Wert von 4,0 % erhöht wurde.
Ein Blick in die Finanzglaskugel
Wer jetzt einen Kredit aufnehmen möchte, muss ordentlich drauflegen. Noch vor der Zinswende im Sommer 2022 lagen die Kreditzinsen bei 0 % oder nur minimal darüber. Jetzt, rund ein Jahr später sind schon 4,0 % fällig. Aber wohin wird sich das alles entwickeln?
Fakt ist: Mit 6,1 % Inflationsrate verliert der Euro weiterhin an Kaufkraft. Experten des ifo Instituts prognostizieren allerdings einen Rückgang auf 2,1 % für das Jahr 2024. Auch die Bauzinsen haben wohl noch nicht ihren Zenit erreicht. Nach Ansicht von Experten könnten sie in den nächsten Monaten noch bis auf 5,0 % ansteigen und dort ihren Gipfel erreichen.
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